Ulmer Spuren in der Luftfahrt

Mit einem Film- und Vortragsabend im Ulmer Stadthaus lieferte der Sportfliegerclub Ulm am 31. Oktober einen weiteren Beitrag zum „Traum vom Fliegen“ – dem ge­meinsamen Projekt der Städte Anklam, Friedrichshafen und Ulm zum „Jahr der Geisteswissenschaften 2007“.

Für uns heute ist Fliegen so selbstverständlich wie Auto- oder Eisenbahn-Fahren. Damit der alte Menschheitstraum vom Fliegen aber Wirklichkeit werden konnte, be­durfte es visionärer, kluger und opferbereiter Menschen, die die Grundlagen für den Menschenflug geschaffen haben.

Mit der Region Ulm verbinden sich dabei vor allem die Namen Albrecht Berblinger (1770 – 1829), der „Schneider von Ulm“ und der „Ozeanflieger“ Hermann Köhl (1888 – 1938). Dass aus der Region Ulm aber noch eine ganze Reihe weiterer Personen herausragende Beiträge zur Entwicklung der Luftfahrt geleistet haben, ist weitgehend unbekannt.

Prof. Dr. Joachim Werner, der Leiter des Instituts für Technikgeschichte an der Hochschule Ulm ist in seinem Vortrag „Von Berblingers Gleiter zum Düsenjet – Ulmer Spuren in der Luftfahrtgeschichte“  auch den weniger bekannten Flugpio­nieren aus der Ulmer Region nachgegangen, was mit großem Beifall belohnt wurde. Hier einige Details aus seinem Vortrag:

Dr. Max Bentele
Dr. Max Bentele

Dr. Max Bentele (*1909 Ulm – 2006), aus Jungingen stammend, dem am Esels­berg ein Weg gewidmet ist, war ein her­ausragender Pionier auf dem Gebiet der Flug­zeugturbinen und seine Beiträge zur Entwicklung des Wankel-Motors brach­ten ihm die Beinamen „Mr. Rotary“ und „Vater des US-Wankelmotors“ ein. Für die Nach­wuchsförderung hat er den „Max Bentele Award“ gestiftet. Bentele hat an der Uni Stuttgart studiert und ar­beitete im zweiten Weltkrieg bei Heinkel-Hirth an der Ent­wicklung von Turbinen-Antrieben. Nach dem Krieg wurde er von Amerikanern und Briten gebeten, be­schädigte deutsche Turbinen-Flugzeuge instandzusetzen und er baute 12 Flug­zeuge wieder auf. Nach verschiedenen anderen Beschäftigungen lan­dete er bei der Curtiss-Wright Corp, wo er für die Propeller-Turbinen-Entwicklung erfolg­reich arbeitete. Als Curtiss-Wright die Autofirma Studebaker-Packard kaufte, stieg Bentele in die Entwicklung der Wankel-Technologie ein, wo er wegwei­sende Beiträge lieferte.

Dipl.-Ing. Robert Lusser
Dipl.-Ing. Robert Lusser

Dipl.-Ing. Robert Lusser (*1899 Ulm – 1969) war Kunst- und Wettbe­werbsflieger, deutscher Ingenieur und Flugzeugentwickler. Zusammen mit Hanns Klemm entwi­ckelte Lus­ser die bekannte L25, den Urtyp eines modernen Leichtflugzeuges. Ab 1933 arbeitete er bei Messer­schmitt als Leiter des Projektbüros an der Entwicklung von BF 108, BF 109, Me 209, BF 110 und Me 262 (Strahljäger). 1939 ging er als tech­nischer Direktor zu Heinkel, wo er den ersten zweistrahligen Jäger der Welt, die He 280 konstruierte. Auch die He 219, der erste spezialisierte Nachtjäger, stammt aus Lussers Entwicklungsbüro. 1941 wechselte er zu Fieseler, da die Heinkel-Ent­würfe vom RLM abgelehnt wurden. Bei Fieseler entwickelte er die Zelle der strahlge­triebenen Fernbombe Fi-103, bekannt unter der Bezeichnung V1, und brachte das Projekt zur Serienreife.

 

Nach dem Kriegsende wurde Lusser in die USA geholt, wo er u.a. mit Wernher von Braun an der Entwicklung der Redstone-Rakete arbeitete:

Messerschmidt Bf 109
Messerschmidt Bf 109

Wegen seiner Untersuchungen über die Zuverlässigkeit komplexer Systeme, besonders im Hinblick auf die Raketenentwicklung, wird Lusser als „Vater der Zuverlässig­keit“ bezeichnet. Seine Formel „Lusser´s Gesetz“ sagt aus, dass die Zuverlässigkeit eines Gesamtsystems nur so gut ist, wie das Produkt der Zuverlässigkeit der Einzel­systeme.

1959 kam Lusser nach Deutschland zurück und wurde technischer Direktor beim Entwicklungsring Süd, München. In dieser Zeit prognostizierte er auch die Unzuver­lässigkeit des Starfighter F-104. Da die Ergebnisse politisch nicht er­wünscht waren, wurde er aus dem Ar­beitsvertrag entlassen.

Seine letzte große Entwicklung war die Lusser-Skibindung, die erste zuverläs­sig funktionierende Sicherheits-Skibin­dung, die sich erfolgreich am Markt einführte. Lus­ser erlebte den Erfolg nicht mehr mit.

Prof. Otto Speidel
Prof. Otto Speidel

Ludwig Rüb (*1863 Ulm – 1930) wurde zuerst Schuhmacher wie sein Vater. Als Sechzehnjähriger begann er sich für Technik zu begeistern und arbeitete in mecha­nischen Werkstätten. Später, er war inzwischen verheiratet und hatte zwei Söhne, versuchte er den Unterhalt seiner Familie mit Aufstiegen eines selbst kon­struierten Ballons auf Jahr­märkten und Volksfesten zu verdienen.

1895 konstruierte Rüb bei der Motor­radfabrik Hildebrandt & Wolfmüller, die unter Beteiligung des bayerischen Flug­pioniers Alois Wolfmüller gegründet worden war, ein Motordreirad. Ab 1897 warb er mit Vorträgen für seine Flugma­schinenpläne. Ab 1899 unterstützte Graf Zeppelin Rübs letztlich erfolglose Versu­che zum Bau eines Schaufelradflugzeugs in Friedrichshafen. Nach dem Ende der Zusammenarbeit begann Rüb 1910 in Ulm mit dem Bau einer ebenfalls unvollendeten „Doppeldecker-Flugmaschine“. Seine ab 1902 geäußerten Ideen zum Bau eines Hubschraubers mit Koaxial-Rotorsystem wurden ab 1914 in Stuttgart unter Beteiligung seiner beiden Söhne verwirklicht. Das Gerät kam aber nie in die Luft.

Prof. Otto Speidel (*1857 Blaubeuren – 1940) Wenige Schritte vom Blautopf in Blaubeuren entfernt liegt gegenüber dem Klostertor der Gasthof „Zum Blautopf“. Dies ist das Geburts­haus von Prof. Otto Speidel. Speidel korres­pondierte mit Otto Lilienthal; Lilienthals letzter Brief, 5 Tage vor seinem tödlichen Absturz ging an Speidel in Blau­beuren. Speidel hat 1895/1896 mit einer Kopie des Lilienthal-Gleiters auf der Alb zwischen Blaubeuren und Münsingen (auf dem Areal des ehemaligen

Truppenübungs­platzes) Flugversuche unter­nommen und nach eigenen Angaben bei ca. 50 „Flügen“ Weiten von bis zu 250 m erreicht. Vier Briefe von Otto und Gustav Lilienthal sind von der Korrespondenz als Faksimile erhalten und finden sich in der Auflistung des Lilien­thal-Museums in Anklam. Speidel war ab 1903 Professor am Polytechnikum in Köthen.