Segelfliegen in den französischen Alpen – Flieg wie ein Adler!

Wir kamen pünktlich zum Briefing auf dem Flugplatz von Gap-Tallard an, wo Philippe gerade an einer weißen Tafel das „wunderschöne Land Frankreich“ skizzierte und anhand dieser schemenhaften Zeichnung die Großwetterlage über Europa erklärte, deren Interpretation bezogen auf die französischen Alpen auch die folgenden Tage immer gleich war: „The thermic in Gap is good, 365 days per year.

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Blick über die französischen Alpen

Look out of the window!“ Dieses Zitat macht klar, dass Philippe ein hervorragender Lehrer und echter Segelflug-Philosoph ist: „Look out!“ Schau dir das Wetter, die Berge, dein Flugzeug, deine Ausrüstung und die anderen Flugzeuge in der Luft immer genau an. „Fly like an eagle!“ Das haben Carlo und ich zum Motto unserer Flüge gemacht: Plaisir statt Wettbewerb; Erfliegen unberührter Bergwelten statt großer Kilometerleistungen; lieber einen eigenen Bart oder Hang finden statt andere „Kämpfer“ auskurbeln zu wollen, auch mal in den Westen fliegen, wenn alle anderen in den Osten fliegen. So gerieten alle unsere Ausflüge zu reinen Flugerlebnissen, die fast alle weit in die unwirtliche Hochgebirgswelt führten. Die französischen Alpen sind eine komplexe Landschaft mit vielen Graten und Tälern, die in alle Himmelsrichtungen orientiert sind und mit großen Höhenunterschieden aufwarten. Hinzu kommen das recht nahe Mittelmeer und verschiedene Windphänomene, wie z.B. der Mistral oder die Brise. In diesem Revier fliegt es sich ohne Motor nur entspannt, wenn man sich gut auskennt und die Landschaft Schritt für Schritt erflogen hat. Man kennt die Außenlandefelder und Flugplätze mit Höhenangabe und man kennt die Pässe und Täler, die sich als Auswege eignen. Korrespondierend zu den Tourenbeschreibungen beim Bergsteigen oder Skitouren-Gehen: ausgesetztes Gelände, hochalpine Erfahrung und Ausrüstung,nur mit Bergführer zu empfehlen. Ich hatte ja Carlo dabei! Und was haben wir alles aus dem DUO-Discus heraus gesehen: Einen Schwarm Zugvögel, der wie ein schwarzer Kamin schräg in der Landschaft stand; eine Geier-Familie, die uns neugierig in unserem Cockpit bestaunt hat; sechs Gemsen, die 50 m unter uns im Schnee nach Freßbarem gesucht haben und natürlich den ein oder anderen Adler, der mit uns seine Kreise zog. Wir sind den schneeweißen Parcours bei Brise abgeflogen, haben in die karge Verdon-Schlucht geschaut, haben den Pic de Bure im Hangwind erklommen und hatten den eisigen Monte Viso scheinbar zum Greifen nahe vor uns. Nach 34 Stunden in der Luft fällt die Bilanz begeistert positiv aus. Die Eindrücke aus der Luft wurden durch die Eindrücke am Boden komplettiert. Allein das Leben auf dem Marktplatz von Tallard, das wir jeden morgen beim französischen Frühstück interessiert beobachtet haben, ist schon eine Reise wert. Mal sehen, wie oft man bei Jean Paul frühstücken muß, bis man -wie Carlo- per Handschlag begrüßt wird. Au plaisir, Hautes-Alpes!

Florian Ehehalt 28.03.2010